31
Jul
2008

Ein erstes Resumée

Aufgrund der intensiven Erlebnisse und unter dem Eindruck der Fülle an neuen Informationen habe ich mir nun doch eine kleine Auszeit gegönnt, um alles ein wenig verarbeiten und sortieren zu können, ich ersuche dafür um Verständnis. Ich habe aber nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern mich in Wien auf neue Literatur gestürzt. Dazu noch später mehr. Beginnen möchte ich mit der Nachreichung der gewünschten Zusammenfassung, die vor dem Ausflug nach Paris zu schreiben war. Geschrieben hatte ich sie auch, in den Wirren der Vorbereitungen allerdings nicht online gestellt, was ich nun nachholen möchte:

(Wien, 27. Juni 2008)
Nach einigen neugierigen Vorstößen in die vielfältigen Facetten von Paris ist es Zeit ein erstes Resümee zu ziehen. Noch vor wenigen Monaten wusste ich von der französischen Hauptstadt kaum mehr als eben deren Hauptstadtfunktion, als nächste Assoziation folgte schon der Fußballklub Paris St. Germain, der 1995 dem SK Rapid Wien im Finale des mittlerweile aufgelassenen Bewerbes Cup der Cupsieger einen österreichischen Triumph vermasselt hat. Das ist zwar auch schon wieder 13 Jahre her, wirklich historisch wertvoll aber deshalb noch lange nicht. Insofern finde ich es recht beachtlich, was ich nun bereits alles an Wissen, an Eindrücken und Impressionen dieser Stadt in Erfahrung bringen konnte, ohne sie überhaupt noch gesehen zu haben.

Rückblickend hat es sich als Glücksgriff erwiesen, zuallererst mit historischen und modernen Stadtplänen zu hantieren und so einen Überblick über die geographische Lage bedeutender Bauwerke, Straßen und Achsen zu gewinnen. Im weiteren Verlauf war es dadurch sehr hilfreich, in der Literatur erwähnte Örtlichkeiten bereits im Kopf der richtigen Stelle in Paris zuordnen zu können.

Dieses erste Gerippe an Informationen erfuhr dann seine weitere Verdichtung. Nach einem Streifzug durch die Ereignisgeschichte beginnend mit den ersten keltischen Siedlern ist mir aufgefallen, dass sich in der Benennung verschiedener Straßenzüge und Plätze im Laufe der Zeit recht bemerkenswerte Dinge zugetragen haben, denen ich mich gewidmet habe. Stellvertretend sei auf die rue d’enfer hingewiesen, die eine moderne Verballhornung der lateinischen via inferior darstellt. Ich finde es erstaunlich, dass sich dieser Straßenname bereits seit 2 Jahrtausenden gehalten hat.

Freilich ist es die Ausnahme. Gerade in politisch unruhigen Zeiten war es ein probates Mittel, Bezeichnungen öffentlicher Räume für Propagandazwecke zu vereinnahmen. Ohne noch genau auf die historischen Ereignisse einzugehen, die ich noch gesondert veröffentlichen möchte, finde ich einen anderen Gedankengang sehr anregend: Ungeachtet der Skurrilitäten um mitunter häufig wechselnde Benennungen für Plätze und Straßen in Paris, wo es gerne auch vorkam, dass einerseits manche Namen mehreren unterschiedlichen geographischen Orten zugleich gegeben wurden und andererseits ein und derselbe Ort mehrere verschiedene offizielle Bezeichnungen trug, musste doch die Pariser Bevölkerung einen modus vivendi gefunden haben, um mit diesem für den Alltag ungemein unpraktischen Zustand zurande zu kommen.

Ich halte es daher für eine sehr spannende Frage, nach welchen Kriterien sich die Bewohner auf gemeinsame Termini verständigt haben, damit sie einander bei avisierten Treffen auch tatsächlich am selben Ort angetroffen haben. Gleichwohl ist es nicht weniger spannend herauszufinden, wie erfolgreich die jeweiligen Machthaber mit der Implementierung der von ihnen neu ersonnenen Bezeichnungen waren. Was bedurfte es für Umstände, damit diese auch verwendet wurden und nicht die gewohnten althergebrachten Namen im Volksmund weiterlebten?

Als Synonym für den Begriff Semantik stoße ich auf den Begriff Wortbedeutungslehre. Es trifft sich daher eigentlich sehr gut, dass ich mich mit meinem Thema letztlich in diesem Dunstkreis bewege.

Es ist evident, dass ein neues Regime jedes greifbare Mittel ausschöpfen wird, um seine Macht zu festigen und auszubauen. Die Verankerung von Schlagwörtern der herrschenden Bewegung in den Köpfen der Bevölkerung ist hierbei nahe liegend, auch, dass man dazu Bezeichnungen heranzieht, die im Volksmund oft verwendet werden, was uns zu den Straßennamen führt. Das verbreitete Analphabetentum zu Zeiten der Französischen Revolution wirkt hier noch verstärkend, da über schriftliche Medien nur ein kleiner Teil der Bevölkerung erreicht werden konnte. Zurück zur Semantik.

Mit der Entscheidung, überholte Namen aus dem Straßenregister zu tilgen, war es noch nicht getan, auch die Auswahl für die neuen Bezeichnungen musste klug und überlegt erfolgen. Sie hatten nicht nur die gewünschten Ideale repräsentieren, sondern sollten auch im Alltag wohlklingend sein und leicht über die Lippen kommen.

Am Beispiel der Revolution von 1789 lässt sich hier ein wunderschöner Lernprozess der Verantwortlichen nachzeichnen. Nicht wenige der im ersten Überschwang der Euphorie eingeführten Straßennamen wurden bald wieder durch andere ersetzt. Ein besonders delikates Problem erwuchs aus dem Umstand, dass viele der Revolutionäre im Fortgang der Ereignisse selbst guillotiniert wurden, jedoch einen Straßenzug mit ihrem Namen hinterließen, der das Regime in peinliche Erklärungsnot brachte. Letzten Endes führte dies dazu, dass man aus Vorsicht selbst den populärsten Personen keinen Ortsnamen mehr verehrte – man konnte ja nie wissen.
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Paris: Historische Semiotik einer Stadt

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