Entwicklung der Straßennamen: Von den Anfängen bis ins Mittelalter
Namen dienen in ihrer ursprünglichen Bestimmung schlicht der Benennung einer Sache. Diese Bezeichnungen können so vielfältig sein wie die Gegenstände, die sie beschreiben sollen. Bei Straßennamen ist das grundsätzlich nicht viel anders. Am Stadtbild von Paris lässt sich das wundervoll veranschaulichen.
Namen wachsen weder auf Bäumen noch fallen sie gottgegeben vom Himmel. Hinter einem Namen steht eine Idee, ein Motiv, warum das Ding so heißt wie es eben heißt. Auch hier offenbart sich Paris als reichhaltige Fundgrube verschiedenster Strömungen in seiner Geschichte.
In seinen Anfängen als kleine Siedlung auf einer nur wenig größeren Insel inmitten der Seine war die Notwendigkeit von Straßennamen nicht gegeben. Auch als Lutetia langsam etwas größer wurde, irgendwann um 360 n. Chr. den Namen Paris annahm und die Besiedelung der der Insel gegenüber liegenden Uferstreifen begonnen wurde, änderte sich dies nur langsam.
Die ersten Namen für bestimmte Orte in der Stadt entstanden direkt aus dem Volksmund heraus. Sie entsprangen häufig natürlichen geographischen Gegebenheiten, etwa wenn ein Weg einen bestimmten Ort kreuzte oder passierte, wie dies auf die rue de Bourg-l’Abbe oder die rue du Clos-Bruneau gilt. Die Nachbarschaft eines besonderen Gebäudes konnte ebenfalls Inhalt eines Straßennamens sein, als Beispiel seien die rue Saint-Germain-l’Auxerrois und die rue du Temple genannt. Straßen wie die rue de la Ferronnerie und die rue de la Verrerie zeigen auch, dass die Häufung bestimmter Gewerbe in manchen Arealen seinen Abdruck im Namenskataster hinterließ. Diese Agglomerationen waren durch die mittelalterlichen Zünfte und Gilden keine Seltenheit, die wir ja auch im modernen Wien an vielen Orten noch in den Straßennamen finden können, sei es am Fleischmarkt, der Bäckergasse oder den Tuchlauben. Aber auch Eigenarten an Ort und Stelle konnten namensgebend wirken. In Paris ist hier die rue de l’Egout zu nennen, in der sich ein großer Zugang zur städtischen Kanalisation befand. In der rue de l’Abreuvoir wiederum befand sich eine riesige Tränke für Pferde.
Eine Besonderheit stellt die Place de Grève dar. Ursprünglich war auch sie benannt nach einem geographischen Merkmal vor Ort, wobei „Grève“ eine Bezeichnung für einen flachen Sand- oder Kiesstrand darstellt. Daraus resultierte die Möglichkeit, dort Schiffe an Land zu ziehen, weshalb sich an dieser Stelle auch der erste Hafen von Paris entwickelte.
Im 19. Jahrhundert erfuhr das Wort „Grève“ jedoch eine etymologische Weiterentwicklung aufgrund der der Besonderheit der Place. Der Hafen war seit jeher Anziehungspunkt von Tagelöhnern und Arbeitern, so auch in Zeiten, in denen sich keine Arbeit für sie fand. Ihre Protestversammlungen hielten sie dann ebenfalls an der Place de Grève ab, wobei die Redewendungen „faire la grève“ und „être en grève“ (sinngemäß: streiken) in den französischen Sprachgebrauch Eingang fanden.
All den beschriebenen Namenstypen ist gemein, dass sich ihre Herkunft unmittelbar (re-)konstruieren lässt. Die Burg des Abbes hat der Betrachter genauso vor Augen wie die Pferdetränke und die geschäftige Händlerzeile. Es fängt erst an, kompliziert zu werden, wenn der Straßenname nichts mehr mit der Straße zu tun hat. Solche abstrakten Namen lassen sich nicht mehr logisch nachvollziehen, sie müssen einfach auswendig gelernt werden. Vor allem aber müssen sie allen Menschen gleichermaßen bekannt gemacht werden, damit sich eine einheitliche Bezeichnung sicher gestellt ist, bevor der Volksmund einem Weg einen eigenen Namen gibt.
Genau diese Dinge sind jedoch in Paris wieder und wieder passiert. Wie so oft, auch hier fängt es ganz harmlos an. Die ersten Straßennamen kamen zwar noch direkt von den Einwohnern selbst Volksmund, dennoch erfuhren sie über die Zeit so manche Veränderung, die sich zunächst meist auf einfache Verballhornung der Sprache zurückführen lassen, wenn die Menschen Wörter schlampig aussprechen oder Wortteile verschlucken. So wurde aus der rue Sacalie die rue Zacharie, aus der rue Thibaut-aux-Dés die rue Thibautodé, aus der rue des Jeux-Neufs die rue Jeuneurs.
Mit dem weiteren Wachstum von Paris änderten sich auch die Herrschaftsverhältnisse. Auf sie soll nicht genauer eingegangen werden, wichtig ist jedoch ein allgemeiner Prozess, der sich an vielen Orten Europas beobachten ließ: Die schon in archaischer Zeit übliche direkte und unmittelbare Herrschaft wurde von einer indirekten und mittelbaren Zentralgewalt abgelöst. Regierte einst der Stammesführer direkt seinen kleinen Clan, stand nun ein König einem großen Volk vor, dessen überwiegender Teil seinen Herrscher nie zu Gesicht bekam, sondern von einem riesigen Beamtenapparat befehligt wurde.
Konnte ein Häuptling früher seinen Führungsanspruch durch sein Charisma und seine persönlichen Führungsqualitäten durchsetzen, so war dies dem König nicht mehr möglich. Straßennamen boten dem Regenten die Möglichkeit, öffentlichen Raum in seinem Sinn einzunehmen und ein gewünschtes Image zu vermitteln.
In Frankreich kam es ab dem 17. Jhdt zu solchen offiziellen Namensgebungen, die nicht mehr vom Volk durchgeführt wurden, sondern vom obersten Herrscher gezielt durchgesetzt wurden. Hierbei kamen zunächst Mitglieder der Königsfamilie zu Ehren. In Paris zeugen davon die rue Sainte-Anne, die rue Louis-le-Grand, die rue Thérèse, die rue Christine oder auch die rue Saint-Louis. Wenn dem Regenten die Familienmitglieder ausgingen, hielt er sich an große Persönlichkeiten seiner Zeit. So kamen die rue Richelieu, die rue Colbert, die rue Mazarin, die rue Vendôme, die rue Verneuil oder die rue Gesvres zu ihren Namen. Um 1780 waren auch die lebenden wichtigen Personen im Stadtbild untergebracht, die Stadt wuchs jedoch munter weiter, weshalb ab dieser Zeit verdiente Persönlichkeiten auch posthum ihr Andenken in Form eines Straßennamen erhielten. Die ersten davon waren die Künstler Corneille, Racine, Molière und Crébillon.
Die Straßen trugen damals jedoch noch keine Schilder und da es auch noch kaum Stadtpläne gab, musste man oft lange suchen, bis man die gewünschte Straße gefunden hatte.
Namen wachsen weder auf Bäumen noch fallen sie gottgegeben vom Himmel. Hinter einem Namen steht eine Idee, ein Motiv, warum das Ding so heißt wie es eben heißt. Auch hier offenbart sich Paris als reichhaltige Fundgrube verschiedenster Strömungen in seiner Geschichte.
In seinen Anfängen als kleine Siedlung auf einer nur wenig größeren Insel inmitten der Seine war die Notwendigkeit von Straßennamen nicht gegeben. Auch als Lutetia langsam etwas größer wurde, irgendwann um 360 n. Chr. den Namen Paris annahm und die Besiedelung der der Insel gegenüber liegenden Uferstreifen begonnen wurde, änderte sich dies nur langsam.
Die ersten Namen für bestimmte Orte in der Stadt entstanden direkt aus dem Volksmund heraus. Sie entsprangen häufig natürlichen geographischen Gegebenheiten, etwa wenn ein Weg einen bestimmten Ort kreuzte oder passierte, wie dies auf die rue de Bourg-l’Abbe oder die rue du Clos-Bruneau gilt. Die Nachbarschaft eines besonderen Gebäudes konnte ebenfalls Inhalt eines Straßennamens sein, als Beispiel seien die rue Saint-Germain-l’Auxerrois und die rue du Temple genannt. Straßen wie die rue de la Ferronnerie und die rue de la Verrerie zeigen auch, dass die Häufung bestimmter Gewerbe in manchen Arealen seinen Abdruck im Namenskataster hinterließ. Diese Agglomerationen waren durch die mittelalterlichen Zünfte und Gilden keine Seltenheit, die wir ja auch im modernen Wien an vielen Orten noch in den Straßennamen finden können, sei es am Fleischmarkt, der Bäckergasse oder den Tuchlauben. Aber auch Eigenarten an Ort und Stelle konnten namensgebend wirken. In Paris ist hier die rue de l’Egout zu nennen, in der sich ein großer Zugang zur städtischen Kanalisation befand. In der rue de l’Abreuvoir wiederum befand sich eine riesige Tränke für Pferde.
Eine Besonderheit stellt die Place de Grève dar. Ursprünglich war auch sie benannt nach einem geographischen Merkmal vor Ort, wobei „Grève“ eine Bezeichnung für einen flachen Sand- oder Kiesstrand darstellt. Daraus resultierte die Möglichkeit, dort Schiffe an Land zu ziehen, weshalb sich an dieser Stelle auch der erste Hafen von Paris entwickelte.
Im 19. Jahrhundert erfuhr das Wort „Grève“ jedoch eine etymologische Weiterentwicklung aufgrund der der Besonderheit der Place. Der Hafen war seit jeher Anziehungspunkt von Tagelöhnern und Arbeitern, so auch in Zeiten, in denen sich keine Arbeit für sie fand. Ihre Protestversammlungen hielten sie dann ebenfalls an der Place de Grève ab, wobei die Redewendungen „faire la grève“ und „être en grève“ (sinngemäß: streiken) in den französischen Sprachgebrauch Eingang fanden.
All den beschriebenen Namenstypen ist gemein, dass sich ihre Herkunft unmittelbar (re-)konstruieren lässt. Die Burg des Abbes hat der Betrachter genauso vor Augen wie die Pferdetränke und die geschäftige Händlerzeile. Es fängt erst an, kompliziert zu werden, wenn der Straßenname nichts mehr mit der Straße zu tun hat. Solche abstrakten Namen lassen sich nicht mehr logisch nachvollziehen, sie müssen einfach auswendig gelernt werden. Vor allem aber müssen sie allen Menschen gleichermaßen bekannt gemacht werden, damit sich eine einheitliche Bezeichnung sicher gestellt ist, bevor der Volksmund einem Weg einen eigenen Namen gibt.
Genau diese Dinge sind jedoch in Paris wieder und wieder passiert. Wie so oft, auch hier fängt es ganz harmlos an. Die ersten Straßennamen kamen zwar noch direkt von den Einwohnern selbst Volksmund, dennoch erfuhren sie über die Zeit so manche Veränderung, die sich zunächst meist auf einfache Verballhornung der Sprache zurückführen lassen, wenn die Menschen Wörter schlampig aussprechen oder Wortteile verschlucken. So wurde aus der rue Sacalie die rue Zacharie, aus der rue Thibaut-aux-Dés die rue Thibautodé, aus der rue des Jeux-Neufs die rue Jeuneurs.
Mit dem weiteren Wachstum von Paris änderten sich auch die Herrschaftsverhältnisse. Auf sie soll nicht genauer eingegangen werden, wichtig ist jedoch ein allgemeiner Prozess, der sich an vielen Orten Europas beobachten ließ: Die schon in archaischer Zeit übliche direkte und unmittelbare Herrschaft wurde von einer indirekten und mittelbaren Zentralgewalt abgelöst. Regierte einst der Stammesführer direkt seinen kleinen Clan, stand nun ein König einem großen Volk vor, dessen überwiegender Teil seinen Herrscher nie zu Gesicht bekam, sondern von einem riesigen Beamtenapparat befehligt wurde.
Konnte ein Häuptling früher seinen Führungsanspruch durch sein Charisma und seine persönlichen Führungsqualitäten durchsetzen, so war dies dem König nicht mehr möglich. Straßennamen boten dem Regenten die Möglichkeit, öffentlichen Raum in seinem Sinn einzunehmen und ein gewünschtes Image zu vermitteln.
In Frankreich kam es ab dem 17. Jhdt zu solchen offiziellen Namensgebungen, die nicht mehr vom Volk durchgeführt wurden, sondern vom obersten Herrscher gezielt durchgesetzt wurden. Hierbei kamen zunächst Mitglieder der Königsfamilie zu Ehren. In Paris zeugen davon die rue Sainte-Anne, die rue Louis-le-Grand, die rue Thérèse, die rue Christine oder auch die rue Saint-Louis. Wenn dem Regenten die Familienmitglieder ausgingen, hielt er sich an große Persönlichkeiten seiner Zeit. So kamen die rue Richelieu, die rue Colbert, die rue Mazarin, die rue Vendôme, die rue Verneuil oder die rue Gesvres zu ihren Namen. Um 1780 waren auch die lebenden wichtigen Personen im Stadtbild untergebracht, die Stadt wuchs jedoch munter weiter, weshalb ab dieser Zeit verdiente Persönlichkeiten auch posthum ihr Andenken in Form eines Straßennamen erhielten. Die ersten davon waren die Künstler Corneille, Racine, Molière und Crébillon.
Die Straßen trugen damals jedoch noch keine Schilder und da es auch noch kaum Stadtpläne gab, musste man oft lange suchen, bis man die gewünschte Straße gefunden hatte.
rue_novilot - 2. Aug, 22:20